Welches Prinzip verbirgt sich z.B. hinter der Tarnung?
Beispiel: Wandelnde Blätter
Bei wandelnden Blättern handelt es sich um Insekten, die von ihrem Äußeren her genau so aussehen wie die Blätter von denen sie sich ernähren. Neben dem Aussehen ahmen sie auch die Bewegungen der jeweiligen Blätter nach und schützen sich so vor Fressfeinden. Es ist also ein passiver Schutzmechanismus.
Betrachtet man nun das Verhalten dieser Insekten fällt nicht nur auf das diese Meister der Tarnung sind, sondern das sie auch eine ausgeprägte Geduld haben. Die beste Tarnung hilft nichts, wenn man sich nicht in Geduld auf die Wirksamkeit der Tarnung verlassen kann. Sonst droht die Tarnung durch ein unruhiges Verhalten unwirksam zu werden. Das bedeutet die Merkmale „Tarnung“ und „Geduld“ sind sehr eng miteinander verwandt und gehören auf jeden Fall zusammen. Zum Überleben reicht es aber noch nicht ganz. Ein gut getarntes und geduldiges Insekt muss auch in der Lage sein zu Beobachten, damit es seine Situation beurteilen kann. Es muss jederzeit entscheiden können ob es sich in seiner aktuellen Lage gefahrlos ernähren kann und damit seine Tarnung abschwächen, bzw. aufgeben kann, oder ob es weiter getarnt bleiben muss da sich gerade Fressfeinde in der Nähe befinden. Ein gut getarntes Insekt mit einer endlosen Geduld würde sonst ganz einfach verhungern oder verdursten. Die „Beobachtungsgabe“ ist auf jeden Fall ein weiteres Merkmal das hier unbedingt hinzu gezählt werden muss. Bleibt noch die „Nervenstärke“. Da sich dieses Insekt auf einen passiven Schutzmechanismus spezialisiert hat, kann es im direkten Kontakt nicht sehr viel gegen einen Fressfeind ausrichten. Also muss es sich bis zum letzten Augenblick auf seine Tarnung verlassen und davon ausgehen, bzw. darauf hoffen das es nicht gesehen wird und der Fressfeind einfach vorbei geht, damit es sich in der Situation von größter Gefahr nicht unnötig selbst zu erkennen gibt. Das verlangt auf jeden Fall eine ausgeprägte Nervenstärke, in so einer Lage bis zum Letzten cool und abgebrüht zu bleiben.
Résumé
Ist ein Insekt seinem Fressfeind unterlegen, entwickelt es einen Schutzmechanismus. Hat es sich auf einen passiven Schutzmechanismus spezialisiert, nutzt es die Tarnung. Dabei gehören die Merkmale „Tarnung“, „Geduld“, „Beobachtungsgabe“ und „Nervenstärke“ untrennbar zusammen.
Erkenntnis
Erkennt man das Merkmal „Tarnung“ oder „Geduld“, kann man ebenfalls auf die Anwesenheit der anderen Merkmale schließen, sowie auf die Spezialisierung auf einen passiven Schutzmechanismus. Das gilt nicht für die beiden Merkmale der „Beobachtungsgabe“ und der „Nervenstärke“.
Beispiel: Stubenfliege
Eine Stubenfliege ist alles andere als getarnt und schon gar nicht geduldig. Sie kann sogar äußerst lästig werden, womit ihr das Bekanntsein ihrer Anwesenheit und auch ihrer Position ganz klar gleichgültig sind. Sie ist im Verhalten das Gegenteil der Wandelnden Blätter, da sie sich auf eine Eigenschaft spezialisiert hat die ihr gegenüber Fressfeinden einen überlegenen Vorteil verschafft. Diese Eigenschaft ist die Geschwindigkeit in der zeitlichen Auflösung der Wahrnehmung und der Reaktion. Sie hat einen aktiven Schutzmechanismus entwickelt – sie ist einfach enorm schnell.
Trotzdem braucht sie ebenfalls eine gute Beobachtungsgabe um zu jedem Zeitpunkt beurteilen zu können, ob sie gerade die Möglichkeit hat sich zu ernähren oder zu pausieren. Auch sie würde verdursten oder verhungern wenn sie in ihrer schnellen Reaktion permanent ‚auf der Flucht‘ wäre. Gleichzeitig muss sie in der Beobachtung auch beurteilen können, wie lange sie noch gefahrlos an ihrer Position verweilen kann, bevor sie tatsächlich wieder aufbrechen muss. Das Zeitfenster das sich ihr bietet sollte ja auch möglichst gut genutzt werden. Das läuft wieder Hand in Hand mit einer gewissen Nervenstärke, denn auch sie muss so cool und abgebrüht sein, dass sie sich auf ihre schnelle Reaktion verlassen kann und diese ihr auch im letzten Augenblick noch die Flucht aus der Risikozone garantiert. Ansonsten wäre sie ja doch permanent ‚auf der Flucht‘ und damit nicht lebensfähig.
Résumé
Hat sich ein Insekt auf einen aktiven Schutzmechanismus spezialisiert, nutzt es eine Eigenschaft der Überlegenheit. In diesem Fall gehören dabei die Merkmale „Offensichtlichkeit“, „Geschwindigkeit“, „Beobachtungsgabe“ und „Nervenstärke“ untrennbar zusammen.
Erkenntnis
Erkennt man das Merkmal „Offensichtlichkeit“ oder „Geschwindigkeit“, kann man ebenfalls auf die Anwesenheit der anderen Merkmale schließen, sowie auf die Spezialisierung auf einen aktiven Schutzmechanismus.
Die beiden Merkmale „Tarnung“ und „Geduld“ aus dem ersten Beispiel, sowie „Offensichtlichkeit“ und „Geschwindigkeit“ aus dem zweiten Beispiel sind dabei identifizierende Merkmale, da man hierüber auf die anderen Merkmale und den Mechanismus schließen kann.
Die beiden anderen Merkmale „Beobachtungsgabe“ und „Nervenstärke“ sind indikative Merkmale, die zwar untrennbar verbunden sind, aber alleine nicht auf die anderen Merkmale schließen lassen.
Die Bindung innerhalb von identifizierenden und indikativen Merkmalen ist stärker als zwischen identifizierenden und indikativen Merkmalen, denn die Bindung innerhalb von identifizierenden oder indikativen Merkmalen ist eindeutig, während die Bindung zwischen identifizierenden und indikativen Merkmalen mehrdeutig sein kann.